Jimmy Enderes hat bis 2022 die Biodynamische Ausbildung im Westen besucht und sich in seiner Jahresarbeit im dritten Lehrjahr intensiv theoretisch und praktisch mit Methoden der regenerativen Landwirtschaft befasst, von denen er hier berichtet.
Wer sich heutzutage für Landwirtschaft interessiert und nach Methoden sucht, wie diese zukunftsfähig gestaltet werden kann, wird an Begriffen der regenerativen Landwirtschaft kaum vorbeikommen. NoTill Market Garden, Mob Grazing und Agroforst klingen frisch und modern und lassen die klassische Biolandwirtschaft fast verstaubt wirken. Auch mich bewegten diese Begriffe schon bei der Suche meines Ausbildungsbetriebs und mit Glück fand ich einen Landwirt, der sich selbst in diesen Techniken weiterbildete. Auf dem Plan standen Agroforstpflanzung im Keyline Konzept und Beweidung nach dem ganzheitlichen Management. Widmen wir uns kurz diesen Begriffen:
Keylinekonzept
Das Keylinekonzept ist ein landwirtschaftlicher Planungsansatz, der von dem australischen Bergbauingenieur und Landwirt Percival Alfred Yeomans entwickelt wurde. Im Kern geht es um die Planung nach Langfristigkeit und den Fokus auf die Ressource Wasser: Um Wasser besser in der Fläche zu halten und zu verteilen, wird das Relief einer Landschaft analysiert und alle Strukturen daran angepasst. Wege, Zäune, Baumstreifen und Bodenbearbeitungslinien werden so angelegt, dass durch sie Wasser aus Wasserablaufbereichen auf trockene Flächen geleitet wird.
Holistischen Management
Das Konzept des Holistischen Management von Alan Savory ist vor allem für seinen Blick auf Beweidung bekannt. Savory, der viele Jahre als Ranger und Landwirt im Süden Afrikas verbrachte, kam zu der Erkenntnis, dass es nur wenige Werkzeuge gibt, mit denen Menschen Einfluss auf Ökosysteme nehmen können. Er benennt sie mit Technologie, Feuer, Ruhe und lebenden Organismen. Bei den lebenden Organismen hebt er vor allem die Wiederkäuer hervor. Für die Landwirtschaft ist das wahrscheinlich der revolutionärste Aspekt seines Ansatzes.
In unseren Breiten fällt schnell auf, dass in der Landwirtschaft vor allem Technologie benutzt wird und dies zieht nach Savory oft Probleme nach sich. Das Werkzeug der Ruhe, also die Natur sich selbst zu überlassen, ist meist nur begrenzt zielführend. Beweidung und der Einfluss einer Herde hingegen, können Biodiversität und Böden verbessern und Probleme lösen, für die zu oft zu technologischen Lösungen gegriffen wird. Entscheidend ist jedoch, wie diese Beweidung gestaltet wird. Eine Schlüsselerkenntnis Savorys besagt, dass sich große Herden von Wiederkäuern positiv auf Pflanzen und Böden auswirken, wenn ihre Bewegung durch die Anwesenheit von Fressfeinden beeinflusst wird. Diese Anwesenheit bewirkt, dass die Tiere eng stehen und stetig weiterziehen. Im ganzheitlichen Weidemanagement ersetzt man diese Fressfeinde durch Zäune und regelmäßigen Umtrieb.
Bild oben: Beweidung im Keyline Konzept: A, B und C sind Weideportinen, E ist der Triebweg zur Wasserstelle. Rechts: Pflanzung einer Wallnussplantage nach Keyline Konzept auf dem Biolandbetrieb Bannmühle.
Auf meinem Lehrbetrieb wurde dies stets angestrebt. Jedoch war es schwierig die großen Flächen mit überwiegend starker Hanglage in kleine Flächen zu portionieren, zumal es meist nur eine Wasserstelle gab. Somit musste die Flächen sternförmig eingezäunt werden, was zeitaufwändig und impraktikabel war. Nachdem wir eine Walnussplantage auf der Bullenweide im Keylinekonzept gepflanzt hatten, fiel mir auf, dass sich durch die ohnehin ausgezäunten Baumstreifen, passende Weideportionen ergaben. Ich plante ein Keyline Pflanzkonzept für eine 10 Hektar große Weide und steckte Zäune entlang möglicher Baumlinien. Eine dieser Linien nutzte ich als Triebweg, um die Kühe von jeder Portionsweide zur Wasserstelle führen zu können. Die Flächen zwischen diesen Zäunen unterteilte ich dann in unterschiedlich große Stücke, um zu beobachten, wie sich die unterschiedliche Besatzdichte auf die Weide auswirkt. Zunächst war ich mit meinem Versuch sehr zufrieden, weil der Aufwand beim Zaunbau deutlich geringer war und die Fläche gleichmäßiger abgeweidet wurde. Zudem konnten die Tiere deutlich länger auf der Fläche bleiben und das Futter wurde effizienter genutzt. Was mir zunächst als Vorteil erschien, entpuppte sich jedoch als ein Problem: Während ich die eine Fläche effizienter nutzte, blieben die übrigen Flächen zu lang unbeweidet, was eine Minderung der Futterqualität nach sich zog. Erst im Nachgang wurde mir durch weiteres Studium des ganzheitlichen Managements klar, dass ich den entscheidenden Faktor Zeit außer Acht gelassen hatte. Zentral ist nämlich die Beobachtung und Benennung der optimalen Regenerationszeit der Futterpflanzen. Die Weiderotation muss dieser Regenerationszeit ständig angepasst werden, damit die Pflanzen nicht zu früh, aber auch nicht zu spät erneut von den Tieren verbissen werden.
Rückblickend bin ich froh, mich mit diesen spannenden Themen auseinandergesetzt zu haben und somit einen Grundstein für meine weitere Arbeit in der Landwirtschaft gelegt zu haben. Ich bin davon überzeugt, dass sowohl das Keyline Konzept als auch das ganzheitliche Management einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, eine standortangepasste, zukunftsfähige und resiliente Landwirtschaft zu gestalten.
Jimmy Enderes